Bad im Grundwasser kostet 75 Euro

Bad im Grundwasser kostet 75 Euro

Bad im Grundwasser kostet 75 Euro

Kreisverwaltung, Polizei und städtisches Ordnungsamt kontrollierten Wasserschutzgebiet – Schwimmer gaben sich unwissend

Bäume, die Schatten spenden, klares Wasser. Aber stopp: Es ist zum Trinken, nicht zum Planschen da.

Neuwied. Im Unterholz sieht es nicht nach Wasserschutzgebiet aus: Babywindeln (voll), Chipstüten (leer), und dann das, was als Bild für den Einsatz stehen kann: die abgerissene Hälfte eines „Betreten verboten Schildes“.

Es ist 15 Uhr, und es ist heiß. Trotzdem hat sich Jörg Stäcker von der Unteren Wasserbehörde des Kreises die Zeit genommen, der schnellen Eingreiftruppe zu erklären, um was es hier geht. Nicht ums Knöllchen verteilen, sondern darum, Trinkwasser für 140 000 Menschen schützen. Stäcker: „Wir sind hier im Engerser Feld. Und beim Stein- und beim Kannsee handelt es sich um freigelegtes Grundwasser.“ Aus der nahe gelegenen Wasserschutzzone 1 gewinnen die Stadtwerke Trinkwasser. Wenn das Grundwasser verunreinigt ist, hat das auch Auswirkungen auf das Trinkwasser. Der Status der Wasserschutzzone 3a, in der Stein- und Kannsee liegen, besagt, dass hier Lagern, Zelten und Baden verboten sind, auch wenn es so lauschig und so einladend plätschert, als schwappe das Wasser an die Küste Kroatiens.

Die Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes, die Polizisten und Mitarbeiter der Kreisverwaltung hören genau zu, als Stäcker sagt: „Lagern kostet 50, Baden – auch für Hunde – 75 Euro.“

In Vierergruppen pirschen wir uns an die Seen heran. Jede Gruppe hat auch einen Polizisten dabei, falls die Badenden beim Entgegennehmen des Bußgeldbescheids ihre gute Kinderstube vergessen sollten. Am Steinsee schrecken wir einen Jüngling mit verbranntem Rücken und zeitlosem Blick auf. Er weiß wohl, was hier läuft, gibt aber den Unwissenden: „Aber Spazieren gehen ist hier erlaubt, oder?“ Klar, auch in Badehose und mit Handtuch.

Am See dann der erste Treffer: Drei junge Leute auf Handtüchern. Stäcker ist höflich und verbindlich, so weit man das mit 1,90 Meter und als Behördenvertreter sein kann. Aber eine Frau aus Koblenz hakt nach: „Wo ist denn die Beschilderung?“ Sie ist sauer, will das „prüfen lassen“. Zwei Mädchen mit nassen Bikinis sind zerknirscht angesichts des 75-Euro-Eintritts. Augenaufschlag im Doppelpack: „Wir wussten das nicht.“

Es gibt auch Neuwieder, die verdutzt gucken, als sie erfahren, dass sie gerade in Grundwasser baden wollten.

Es geht weiter am Steinsee entlang: Die Kontrolleure und der „embedded journalist“ sind sich einig: „Mann, ist das schön hier.“ Das Wasser klar wie Glas, eine leichte Brise schüttelt die Laubbäume, dann der Blick auf die Landzunge im Kannsee – kollektive Unwissenheit. Rund 40 Mädchen, Jungen, Männer und Frauen toben im Wasser, auf Luftmatratzen, rekeln sich am Strand. Per Handy gibt der schwitzende Ordnungsamtsmann die Meldung des Tages an Gruppe drei weiter.

Und weiter, schwitzen, nicht schwimmen. Libellen in allen Trendfarben schweben in der Luft, aber immer auch wieder Konsumschrott zu unseren Füßen: ein vergessener Flip-Flop, eine für immer ausgezogene Badehose. Dann ein Hunderudel – mit Frauchen. Die Hunde sind nass, aber nicht inflagranti erwischt worden. Die Damen gehen in die Offensive: „Sie müssten mal sonntags am Kannsee sein. Da stehen die Autos in Dreierreihen.“

Zwei Rentner mit Fahrrädern kommen mit der gelben Karte davon. Stäcker: „Wollten Sie schwimmen?“ „Nein, nein, wir sind zu alt.“ So geht es westwärts um den Steinsee hin zum Kannsee. Da liegen drei feuchte Luftmatratzen am Ufer, Fußspuren im Sand: „Die sind weggeschwommen“, schätzt ein Ordnungshüter.

Der Kannsee. Es ist aber auch zu einfach: Über den Elmsweg fährt sich's schön zum Parkplatz, noch 150 Meter: Kroatien. Heute machen drei Familien aus Mendig hier Urlaub. „Ein Neuwieder hat uns den Tipp gegeben.“ Und während die Familien die Kühlbox einräumen, reagiert sich der Fahrer des tiefergelegten Opels mit einem Knüppel am „Betreten-verboten-Schild“ ab. Wenigstens ist er nicht auf Drogen – der Spürhund guckt nur und will zurück in den Combi. (mik)


Quelle: RZ Neuwied vom Donnerstag, 22. Juli 2010, Seite 18



„Wenn Politiker sich verrennen“
IG BCE Seniorengruppe Bendorf/Rhein

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